Mainpst, 20.08.2017
Weniger Hürden für die Kleinen
Bei ihrem Besuch bei Laboklin erfuhr Bundesministerin Johanna Wanka von den Problemen und Nöten eines mittelständischen Unternehmens im ländlichen Raum.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka (CDU), stattete der Bad Kissinger Laboklin GmbH einen fast zweistündigen Besuch ab. Eingeladen hatte sie die Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU). Laboklin-Inhaberin Elisabeth Müller nutzte die Gunst der Stunde, präsentierte im Beisein prominenter Regionalpolitiker ihr weltweit tätiges tiermedizinisches Labor für klinische Diagnostik und wies die Bundesministerin auf Probleme hin.
Mit ihren 350 Mitarbeitern, davon etwa 80 Tierärzte, Biologen, Chemiker und andere akademische Fachkräfte, gehöre ihr Unternehmen zwar noch zum Mittelstand, arbeite aber auf gleichem Niveau wie Großfirmen. Deshalb forderte Elisabeth Müller den Abbau bürokratischer Hürden, um an Fördermittel heranzukommen. Gerade im ländlichen Raum sei die Förderung des Mittelstands zur Sicherung qualifizierter Arbeitsplätze unabdingbar.
Der Mittelstand könne aber kein Fachpersonal abstellen, nur um notwendige Förderanträge zielführend zu formulieren. Da seien Großunternehmen klar im Vorteil. Wissenschaftsministerin Wanka verteidigte zwar die Notwendigkeit, die Effektivität eingesetzter Fördergelder vor Bewilligung abschätzen zu können, versprach aber Erleichterung. “Im ersten Schritt reicht notfalls auch ein ausführlicher Brief für die Vorentscheidung über Fördermittel.”
Die fortschreitende Globalisierung steigert den Wettbewerbsdruck, brachte Müller als weiteres Beispiel der Benachteiligung eines mittelständischen Labors im ländlichen Raum. Großunternehmen bauen zwecks schnellerer Auftragsabwicklung neue Labore direkt an Flughäfen und locken Fachkräfte mit Geld. Ein mittelständisches Unternehmen im ländlichen Raum wie Laboklin könne da nicht mithalten. “Wir Mittelständler brauchen Innovations- und Forschungshilfe”, appellierte Müller deshalb an die Bundesministerium.
Ein großes Kompliment machte Wanka der Bad Kissinger Unternehmerin, die ihr Unternehmen zuvor als besonders frauenfreundlich dargestellt hatte: Bei Laboklin sei die Frauenquote bis in Führungspositionen sehr hoch und die Beschäftigungsverhältnisse würden sich durch eine lange Dauer auszeichnen. Müller: “Wir bemühen uns immer, das Beschäftigungsverhältnis der individuellen Familiensituation anzupassen.” Die Wissenschaftsministerin beklagte, in Deutschland gebe es in Firmenleitungen nur sechs Prozent Frauen. Wanka: “94 Prozent männlich, das geht einfach nicht auf Dauer.”
Vor allem infrastrukturelle Probleme machen Laboklin zu schaffen, erklärte die Firmenchefin. Manche Auszubildende seien bis zu zwei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz unterwegs. 40 Euro kostet den Azubi pro Tag die Fahrt zur Berufsschule in Würzburg. Natürlich könne es nicht flächendeckend Berufsschulen geben, meinte die Ministerin , sah aber ein, “wir müssen dort staatlich handeln, wo der Markt es nicht regelt”.
Weniger an die Adresse der Bundesministerin als eher an Dorothee Bär als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium und an den Landtagsabgeordneten Sandro Kirchner (CSU) richtete sich Müllers Klage: “Wir liegen hier in der Mitte Deutschlands, sind aber total bayern-orientiert.” Laboklin fehle die Bahnverbindung in den Norden. Die neue Busverbindung nach Fulda mit 3,5-stündiger Fahrtdauer sei keine Alternative. “Da ist ja schon die Bahnfahrt über Würzburg schneller.”
Schnelle Auftragserledigung sei aber ein Wettbewerbsvorteil. So hätten, führte die Laboklin-Chefin weiter aus, viele Kunden kein Verständnis für die Überzahl der katholischen Feiertage in Bayern. Was nütze schnelles Arbeiten bei Laboklin, wenn die Post wegen des katholischen Feiertages im Verteilerzentrum Würzburg liegen bleibt, klagte Müller. “Wenn alle anderen Bundesländer arbeiten müssen, hat der auf unseren Befund wartende Tierarzt in Hamburg überhaupt kein Verständnis für bayerische Feiertage.”
Mit unerwarteter Kritik mussten sich Sandro Kirchner (MdL) und der Bad Kissinger Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) abfinden, die an der Diskussionsrunde teilnahmen. Hatten sich beide doch vor Monaten ausdrücklich für die Ansiedlung des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im denkmalgeschützten Altbau des Bad Kissinger Kurhaushotels eingesetzt, was in der Öffentlichkeit auch begrüßt worden war. Doch Laboklin-Chefin Müller sieht die Konkurrenz im Arbeitsmarkt. “Der Staat wirbt zur Besetzung der 100 neuen Stellen um genau dieselben Fachkräfte, die wir doch so dringend brauchen.” Müller sieht in den neuen staatlichen Arbeitsplätzen deshalb keinen Mehrwert, sondern nur einen Verteilungskampf.