Ein junger Kater mit schwerwiegenden Problemen

Signalement und Anamnese
Vorstellig wurde ein 1 Jahr alter, männlich kastrierter Devon Rex Kater mit Hyporexie, Apathie und einem geschwollenem Bauch. Der Kater wurde einen Monat zuvor von einem Züchter adoptiert, sein FeLV/FIV Statuts war laut Aussage des Züchters negativ. Dem Kater ging es bis zur Vorstellung gut, dem Besitzer sind keine Veränderungen oder Krankheitssymptome aufgefallen.

Klinische Untersuchung
Bei der klinischen Allgemeinuntersuchung fiel ein aufgetriebenes, undulierendes Abdomen bei einem guten Body Condition Score von 4/9 auf. Die Palpation des Abdomens ließ das Vorhandensein freier Flüssigkeit vermuten. Zusätzlich hatte der Kater eine Hyperthermie (39,9°C) ohne andere Auffälligkeiten.

Weitere Untersuchungen

Hämatologie und Blutchemie
Es wurde eine hämatologische und blutchemische Untersuchung mit Serum- Eiweiß- Elektrophorese durchgeführt.  Im Blutbild fielen eine milde normozytäre, normochrome, nicht regenerative Anämie und eine milde Leukozytose mit Neutrophilie und Lymphopenie auf. Der Blutausstrich war unauffällig.
Die Blutchemie und die Serum- Eiweiß- Elektrophorese zeigten eine milde Hypoalbuminämie (29g/l, Referenzbereich 30-45g/dl) und eine Hyperglobulinämie (42g/l, Referenzbereich 4-19g/l) sowie eine ggr. erhöhte Bilirubinkonzentration (Abb.1).

Abb 1: Serum- Eiweiß- Elektrophorese mit deutlicher Hyperglobulinämie.

Bildgebende Verfahren
Es wurde eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens durchgeführt, bei der mäßig freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle und ein ggr. reaktives Peritoneum nachgewiesen wurden. Die Flüssigkeit wurde punktiert (Abb. 2). Weitere Befunde wurden nicht erhoben.

Abb. 2: makroskopisches Aussehen der punktierten freien Flüssigkeit aus der Bauchhöhle

Was ist Ihre Interpretation der labordiagnostischen Befunde?
Was ist die Hauptdifferentialdiagnose basierend auf dem Signalement und der klinischen Untersuchung?
Welche weiteren Tests würden Sie veranlassen, um diese zu bestätigen?


Was ist Ihre Interpretation der labordiagnostischen Befunde?
Hämatologie und Blutchemie
Eine milde normozytäre, normochrome, nicht regenerative Anämie spiegelt meist eine Anämie der chronischen Entzündung wieder. Die milde Neutrophile und Lymphopenie sind vermutlich eine Antwort auf die Wirkung endogener oder exogener Steroidhormone (Stressleukogramm), eine milde Entzündungsreaktion ist ebenfalls möglich.
Erhöhte Globulinkonzentrationen können ebenfalls für eine Entzündungsreaktion sprechen, eine Serum- Eiweiß- Elektrophorese hilft dabei, den Typ zu charakterisieren.
Die klinische Relevanz der ggr. erhöhten Bilirubinkonzentration bleibt unklar, es gab keine Hinweise auf Hämolyse, erhöhte Leberenzyme oder hepatische Cholestase.

Was ist die Hauptdifferentialdiagnose basierend auf dem Signalement und der klinischen Untersuchung?
Aufgrund des Alters des Katers und der klinischen Symptome ist die „feuchte“ feline infektiöse Peritonitis (FIP) die wahrscheinlichste Diagnose. Andere mögliche aber unwahrscheinliche Differentialdiagnosen sind andere Infektionserkrankungen, Pankreatitis oder Leberlappentorsion.

Welche weiteren Tests würden Sie veranlassen, um diese zu bestätigen?
Es sollte eine Untersuchung des abdominalen Ergusses inkl. Zellzahl, Totalprotein, Zytologie, Rivalta Probe und feliner Coronavirus PCR (FCoV) erfolgen.

Ergebnisse:
•    Zellzahl: 3450 Zellen/µl
•    Totalprotein (Refraktometer): 45g/l
•    Zytologie: es dominierten schlecht erhaltene neutrophile Granulozyten mit einer geringen Anzahl schaumiger Makrophagen und wenigen reaktiven Mesothelzellen (Abb. 3)

Abb. 3: Zytologie der abdominalen Flüssigkeit: schlecht erhaltene Neutrophile auf proteinreichem Hintergrund (modifizierte Wright Giemsa Färbung, 40- fache Vergrößerung)

•    Rivalta Probe: POSITIV (Abb. 4).

Bei der Rivalta Probe wurden 8ml destilliertes Wasser mit einem Tropfen Essigsäure versetzt. Ein Tropfen der freien Flüssigkeit wurde vorsichtig auf die Oberfläche der Lösung gegeben. Behält der Tropfen beim Herabsinken seine Form oder verformt sich quallenartig, so ist der Test positiv. Löst sich der Tropfen, so ist der Test negativ.

Abb. 4: Positive Rivalta Probe (beachten Sie den an der Oberfläche der essigsauren Lösung haftenden Tropfen des Ergusses)

•    FCoV real time PCR: POSITIV

Diagnose: feuchte Form der felinen infektiösen Peritonitis

Therapie und Verlauf

In diesem Fall entschieden sich die Besitzer unter anderem wegen des schlechten Allgemeinzustandes des Katers gegen einen Therapieversuch und zur Euthanasie. Es ist selbstverständlich nicht unsere Auffassung, dass dieses Vorgehen generell empfohlen werden sollte! Die aktuellen Empfehlungen zur Therapie sind komplex - wir verweisen daher auf das EUROPEAN ADVISORY BOARD ON CAT DISEASES. Dort sind alle derzeit empfohlenen Vorgehensweisen aufgelistet und können nachgelesen werden:

 http://www.abcdcatsvets.org/feline-infectious-peritonitis/

Studien zu neueren antiviralen Medikamenten laufen, teilweise existieren Berichte (JVIM , Dickinson et al. zu GS- 441524), hier handelt es sich aber nicht um zugelassene Medikamente.

Zusammenfassung
Die feline infektiöse Peritonitis (FIP) ist eine weltweit verbreitete Infektionserkrankung, die durch das feline Coronavirus (FCoV) verursacht wird.
Zu den prädisponierenden Faktoren zählen Reinrassigkeit und Alter (unter 2 Jahren). Einige Autoren beschreiben eine erhöhte Prävalenz bei männlichen Katzen, andere wiederrum konnten keine Geschlechtsprädisposition feststellen. Die Hauptansteckung mit FCoV erfolgt  fäkal- oral, besonders bei jungen Katzen in Zuchten mit hoher Tierdichte. Der Immunstatus des Wirtes stellt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der entweder feuchten Form (hauptsächlich humorale Immunantwort, Vaskulitis) oder der trockenen Form (zelluläre Immunantwort, granulomatöse Läsionen) der Erkrankung dar, ebenfalls sind auch die Virulenzfaktoren des Virus bestimmend für die Entstehung der Erkrankung. Die FCoV- Virämie ist kurz, sie erreicht ihren Höhepunkt ungefähr 7 Tage post infectionem und nimmt anschließend ab. Mit einer Antikörperproduktion ist 10-28 Tage post infectionem zu rechnen.
Die klinischen Symptome variieren stark je nach Form (Ausmaß der Vaskulitis und/oder der granulomatösen Läsionen) und können sich mit der Zeit verändern. Unspezifische Symptome sind Lethargie, Anorexie, Gewichtsverlust, vergrößerte abdominale Lymphknoten und Fieber.  Körperhöhlenergüsse, neurologische, ophthalmologische und dermatologische Symptome sind ebenfalls möglich. Bei der feuchten Form kann die Analyse des Ergusses bei der Diagnose FIP helfen. FIP- bedingte Ergüsse sind in der Regel zellarm (<5x109/l) und proteinreich (>35g/l). In der Zytologie dominieren Makrophagen und nicht entartete Neutrophile. Die Rivalta Probe ist nützlich, um, wenn negativ, FIP auszuschließen. Ein positives Ergebnis ist aber nicht spezifisch für eine FIP.
Zu den ebenfalls meist unspezifischen hämatologischen und klinisch- chemischen Veränderungen zählen eine milde bis moderate nicht regenerative Anämie, Hyperglobulinämie, Hypoalbuminämie, erhöhte Bilirubinkonzentrationen und erhöhte Akute Phase Proteine.
Der Goldstandard für die Diagnosestellung FIP ist die histopathologische Untersuchung betroffener Gewebe mit entsprechenden Befunden und positiver Immunhistochemie. Eine Immunhistochemie von zytologischen Präparaten ist auch möglich und hilfreich bei der Diagnose. Jedoch ist die Sensitivität variabel und variiert zwischen den Studien von 57 bis 100%.
Mit Hilfe einer real time PCR aus Gewebe oder Erguss kann ebenfalls eine Diagnose gestellt werden, besonders dann, wenn eine Immunhistochemie oder Immunhistozytologie nicht verfügbar ist. Jedoch ist zu beachten, dass auch Katzen ohne FIP positiv für FCoV in Geweben und Ergüssen sein können. Antikörperbestimmungen sind im Allgemeinen nicht besonders nützlich. Der Nachweis von Mutationen, die das FCoV-Spike (S) -Gen betreffen, hat unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. Bei mit FCoV infizierten Tieren, die keine FIP entwickelt haben, wurden Mutationen gefunden, während bei kranken Tieren mit FIP keine Mutationen nachgewiesen wurden.
Die Prognose ist schlecht und es ist Vorsicht bei Kontakt mit anderen Katzen geboten. Die Therapie sollte symptomatisch erfolgen und antivirale und immunmodulatorische Komponenten enthalten.
FIP ist eine komplexe Erkrankung, die Diagnose kann eine Herausforderung darstellen.  Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen müssten sorgfältig unter Zuhilfenahme des Signalements, der klinischen Symptome und anderer verfügbarer Informationen ausgewertet werden, da eine falsche Diagnose schwerwiegende Konsequenzen für den Patienten darstellen kann.

Referenzen:

-    Abcdcatsvets.org/feline-infectious-peritonitis
-    Addie D, Belak S, Boucraut-Baralon C, Egberink H, Frymus T, Gruffydd-Jones T, et al (2009): Feline infectious peritonitis. ABCD guidelines on prevention and management. J Feline Med Surg 11, 594–604.
-    Addie DD, Paltrinieri S, Pedersen NC (2004): Recommendations from workshops of the second international feline coronavirus/feline infectious peritonitis symposium. J Feline Med Surg 6, 125-130
-    Barker EN, Stranieri A, Helps CR, Porter E, Davidson AD, Day MJ, Kipar A, Tasker S (2017): Limitations of using feline coronavirus spike protein gene mutations to diagnose feline infectious peritonitis. Vet Res 48, 60.