Harnsediment von einer Katze: wenn die Gefahr im Haus lauert!

Lucia Sanchini, DVM, MSc, Dip. ECVCP, FRCPath, MRCVS, EBVS Specialist in Veterinary Clinical Pathology. BattLab, UK.

 

SIGNALEMENT UND ANAMNESE:

Ein 7 Jahre alter, kastrierter EKH Kater wurde im Notdienst wegen akutem Erbrechen und Oligurie vorgestellt. Der Patient war eine reine Wohnungskatze und hatte begrenzten Zugang zum Balkon.

KLINISCHE ALLGEMEINUNTERSUCHUNG:

In der klinischen Untersuchung zeigte sich der Kater dehydriert, apathisch, speichelnd und mit Untertemperatur. Er hatte pappige Schleimhäute und würgte mehrfach im Behandlungsraum. Bei der abdominalen Palpation zeigte er keine Schmerzhaftigkeit und nur ein leichtes Unbehangen in der Magengegend.

WEITERFÜHRENDE UNTERSUCHUNGEN:

Im Notdienst wurden einige klinsch-chemische Parameter und der Harnstatus gemessen (Tabelle 1) sowie ein Harnsediment untersucht (Abbildung 1).

Abbildung 1: Harnsediment, Katze, Nasspräparat. Es finden sich zahlreiche Zylinder ohne einen Hinweis auf eine Entzüdung.

Was ist Ihre Interpretation der Ergebnisse und die wahrscheinlichste Diagnose?

 

 

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Es fand sich eine mittelgradige Azotämie mit isosthenurischem Urin. Diese Befunde, zusammen mit der Dehydratation, schließen eine prä-renale Azotämie aus und deuten auf eine renale Problematik hin.
Die Glukosurie mit Serum-Glukose im Referenzbereich spricht für eine tubuläre Erkrankung die von der hochgradigen Proteinurie mit stark erhöhtem UPC bestätigt wurde.

Die Untersuchung des Urinsediments ergab zahlreiche granulläre Zylinder ohne einen Hinweis auf eine Entzündungsreaktion. Die Zylinder enthielten häufig Epithelzellen eingeschlossen in das proteinerge Material.

Eine geringe Menge proteinerge Zylinder können sich auch bei gesunden Tieren im Harnsediment finden. In einer hohen Anzahl (wie im vorliegenden Fall) weisen sie jedoch auf einen renalen Tubulusschaden hin. Darüber hinaus stellen die zahlreichen epithelialen Zellen abgestorbene Epithelzellen aus den renalen Tubuli dar, die bei einem schweren renalen Tubulusschaden ausgeschieden werden.

DIAGNOSE

Akutes Nierenversagen aufgrund eines Tubulusschaden

 

BEHANDLUNG UND VERLAUFSKONTROLLE

Aufgrund der Schwere des Tubulusschadens wurde der Besitzer zu einem möglichen Kontakt mit Lilien befragt. Er berichtete, dass er beobachtet hat wie der Kater am Vortag mit einer Weißen Lilienpflanze (Lilium longiflorum) gespielt hat. Anschließend hatte sich die Katze zurückgezogen und war erst wieder beobachtet worden als sich das massive Erbrechen einstellte.

Der Kater wurde für 24 Std. mit einer intensiven Infusionstherapie behandelt und zeigte darunter eine klinische Besserung. Eine wiederholte Messung von Harnstoff (Urea) und Kreatinin zeigte einen minimalen Abfall beider Werte (Urea 15,6 mmol/L, Kreatinin 240 umol/L), die Urinproduktion blieb dagegen gering. Am zweiten Tag der stationären Behandlung zeigte der Patient erneut Erbrechen, die Körpertemperatur sank auf 34,5°C und er begann zu krampfen. Trotz mehrfachen Wiederbelebungsversuchen verstarb der Patient schließlich.

DISKUSSION

Lilien sind beliebte Zimmerpflanzen die bei reinen Wohnungskatzen ein erhöhtes Risiko für eine Intoxikation haben über welches sich die Besitzer häufig nicht bewusst sind. Katzen sind generall anfällig für diese Vergiftungsform und es gibt keine Rasse-, Geschlechts- oder Alterprädisposition. Alle Teile der Pflanze sind toxisch - Blüten, Stengel, Blätter und Pollen. Die genaue toxische Dosis für Katzen ist unbekannt, es ist jedoch beschrieben, dass schon die Aufnahme von 1-2 Blättern oder 1 Blüte zu einer Toxikose führen kann. Die nephrotoxische Substanz der Lilie wird innerhalb kürzester Zeit absorbiert und führt zu einer akuten renalen Tubulusepithelnekrose. Die ersten klinischen Symptome sind Speicheln, Erbrechen, Anorexie und Apathie die typischerweise 1 - 3 Std. nach der Aufnahme auftreten. Anschließend zeigt sich eine Polyurie nach etwa 12 - 30 Std., gefolgt von Dehydratation. Nach etwa 24 - 48 Std beginnt die anurische Phase welche in der Regel mit einer hohen Mortalitätsrate assoziiert ist. Eine intensive Infusionstherapie innerhalb der ersten 24 Std. nach Aufnahme und vor der Entwicklung der Anurie ist notwendig. Die Therapie muss für 24 - 72 Std. anhalten, währenddessen regelmäßige Kontrolle der klinischen Chemie und des Harns erfolgen sollten um die Schwere des Nierenversagens und die Therapieantwort einzuschätzen. Sobald die Anurie eingetreten ist, scheinen nach aktuellem Kenntnisstand nur noch eine peritoneale Dialyse oder Hämodialyse als effektive Therapiemethoden zu sein. Die Prognose hängt von der Schwere der klinischen Symptomatik, Zeitpunkt der Vorstellung und Entwicklung eines akuten Nierenversagens ab.

Vorbeugend sollte der Kontakt von Katzen mit Hauspflanzen unbedingt vermieden werden und die Besitzer sollten über mögliche toxische Pflanzen im Haushalt aufgeklärt werden.