Multiple Umfangsvermehrungen in der Zunge bei einem Hund mit Lymphadenopathie

 

Francesco Cian DVM, Dip. ECVCP, FRCPath, MRCVS, RCVS and EBVS Specialist in Veterinary Clinical Pathology. BattLab, UK.

 

SIGNALEMENT, ANAMNESE UND KLINISCHE UNTERSUCHUNG:

Ein 12 Jahre alter Mischling wurde wegen multipler Umfangsvermehrungen (UVs) der Zunge und vergrößerten submandibularen und prescapulären Lymphknoten vorgestellt.


In der klinischen Untersuchung zeigten sich zahlreiche, ca. 1cm große Knoten auf der Zunge. Diese waren hellrosa, erhaben und mit deutlicher Abgrenzung zum umliegenden Gewebe (Abb. 1). Es wurden Feinnadelaspirate (FNA) von den UVs der Zunge sowie vergrößerten Lymphknoten entnommen und für die zytologische Untersuchung an ein externes Labor versendet.


Die Untersuchung des Blutstatus ergab eine geringgradige Lymphopenie, die vermutlich durch Stress (Glukokortikoide) induziert war. In der klinischen Chemie fand sich eine geringgradige, unspezifische Erhöhung der AP (alkalinen Phosphatase) Aktivität und des Albumins. Die übrigen Werte lagen innerhalb der Referenzbereiche.

 

Abb 1. Multiple, erhabene Knoten auf der Zunge eines Hundes. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Fitzpatrick Referrals Ltd).

ZYTOLOGIE

Unter Sedation wurden mehrere Aspirate aus den UVs der Zunge und den vergrößerten Lymphknoten entnommen. Die relevantesten Befunde der zytologischen Untersuchung sind in Abb. 2 und 3 repräsentativ zu sehen.

Abb 2. FNA aus einem der vergrößerten submandibularen Lymphknoten des Hundes. (Wright Giemsa, 50x Objektiv)
Abb.3. FNA aus einer der Zungen-UV des Hundes. (Wright Giemsa, 50x Objektiv)

Was ist Ihre Diagnose basierend auf den klinischen Befunden und dem zytologischen Bild?

 

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE


Zytologie:

Das Feinnadelaspirat vom submandibularen Lymphknoten war zellreich und vor einem leicht basophilen Hintergrund fanden sich überwiegend lymphatische Zellen. Diese waren klein bis mittelgroß und hatten wenig bis mittelgradig viel, hellblaues Zytoplasma, welches häufig zu einer Seite ausgezogen war und den Zellen ein „handspiegelförmiges“ Aussehen verlieh. Die Zellkerne waren klein bis mittelgroß und rund mit grobscholligen Kernchromatin und vereinzelt undeutlich sichtbaren Nukleoli.

Darüber hinaus waren wenige, reife Plasmazellen eingestreut.

Die Befunde aus den zytologischen Präparaten der Zunge waren ähnlich, jedoch weniger zellreich. Vor einem klaren Hintergrund mit geringgradiger Blutbeimengung fanden sich überwiegend kleine Lymphozyten und der Anteil and handspiegelförmigen Zellen war gering.

Die zytologischen Befunde waren hochverdächtig für ein kleinzelliges Lymphom.


Weiterführende Diagnostik und Verlauf:

Um ein Lymphom zu bestätigen, wurde zu weiterer Diagnostik mittels Immunophänotypisierung (Durchflusszytometrie), Histopathologie und/oder Untersuchung der Lymphozytenklonalität (PARR) geraten. Um die Entnahme von weiterem Material zu vermeiden, entschied sich der behandelnde Tierarzt für die Untersuchung der Lymphozytenklonalität mittels PARR aus den zytologischen Präparaten. Die Untersuchung ergab das Vorliegen eines klonalen T-Zell Rezeptor-Rearrangement welches die Verdachtsdiagnose bestätigte. Aufgrund der Größe und Form der Lymphozytenpopulation (kleinen Zellen mit handspiegelförmigem Aussehen) sowie den Befunden der PARR (klonal T-Zell), erschien ein „T zone lymphoma“ (TZL) wahrscheinlich.

Der Hund wurde an ein onkologisches Zentrum überwiesen, wo ein klinisches Staging mit Entnahme von FNA aus Leber und Milz durchgeführt wurde. Beide Lokalisationen zeigten in der zytologischen Untersuchung eine erhöhte Menge kleiner, lymphatischer Zellen die vergleichbar mit denen in der Zunge waren. Eine PARR Untersuchung des Milzaspirates bestätigte das Vorliegen einer monoklonalen Lymphozytenpopulation. Der Patient erhielt eine Behandlung mit Lomustin (CCNU, 70mg/m2, PO, alle 3 Wochen). Die Lymphknoten verkleinerten sich auf die Behandlung geringgradig, die UVs in der Zunge blieben jedoch bestehen. Zwei Monate nach der Erstvorstellung ist die Erkrankung weiterhin stabil.


Diskussion:

Beim Hund sind Neoplasien der Zunge selten und machen nur etwa 4% aller Tumore des Oropharynx aus. Die häufigsten Tumorarten der Zunge sind Plattenepithelkarzinome und Melanome. Lymphome der Zunge sind vergleichsweise selten und vor kurzem wurde hierzu eine Fallserie im Veterinary Comparative Oncology Journal veröffentlicht. Alle darin beschriebenen 12 Fälle waren TZL, ein häufiger Subtyp des indolenten, kleinzelligen Lymphoms welcher meist die Lymphknoten involviert.

Zytologisch typisch ist eine Zellpopulation von überwiegend handspiegelförmigen, kleinen Lymphozyten, die der parakortikalen Region der Lymphfollikel entstammen. Diese haben einen bestimmten Immunophänotyp der durch den Verlust des Panleukozytenmarkers CD45 und einer variablen Expression anderer T-Zellmarker (z.B. CD3, CD4, CD8) charakterisiert ist. Dadurch ist es möglich diesen Lymphomtyp nur durch die zytologische Untersuchung gepaart mit einer Immunophänotypisierung (Durchflusszytometrie) zu diagnostizieren. Eine histologische resp. immunhistologische Untersuchung sind nicht unbedingt notwendig. Klinisch ist das TZL eine langsam progressive und indolente Erkrankung. Die Fälle in der o.g. Publikation wurden mit unterschiedlichen therapeutischen Varianten behandelt, von chirurgischen Therapien, multi-agent Chemotherapie bis hin zu palliativer Bestrahlung. Alle außer einem Fall zeigten eine vollständige Remission oder stabilen Verlauf der Erkrankung. Die mittlere Überlebenszeit wurde nicht angegeben, da nur zwei der Hunde während der Studienzeit verstarben. Die übrigen 10 Patienten waren zum Zeitpunkt der Publikation noch lebend (27 – 893 Tage nach der Diagnose).


Zusätzliche Informationen:

Die Histopathologie, PARR und Immunophänotypisierung sind diagnostische Tests die häufig angewendet werden, um die Verdachtsdiagnose eines Lymphoms zu bestätigen resp. dieses weiter zu differenzieren. Sowohl die PARR als auch die Immunophänotypisierung sind im Vergleich zur Histopathologie deutlich weniger invasiv, da hierfür keine zusammenhängende Gewebebiopsie entnommen werden muss.

  • Die Immunophänotypisierung mittels Durchflusszytometrie ist häufig der Test der Wahl, um ein Lymphom zu diagnostizieren und seinen Subtyp möglichst genau zu klassifizieren. Hierfür muss jedoch eine frische Probe in ein entsprechendes externes Labor eingesendet werden, welche idealerweise innerhalb von 24 Stunden untersucht wird.

  • Der Vorteil der PARR ist, dass sie aus nahezu jeder Probe (inklusive gefärbten zytologischen Präparaten) durchgeführt werden kann, weshalb kein zusätzliches Material entnommen werden muss. Sie bietet einen validen Test, um die Verdachtsdiagnose eines Lymphoms zu bestätigen bzw. auszuschließen, wenn dies zytologisch nicht sicher möglich ist. Jedoch kann es bei der Methode zu falsch negativen sowie selten, falsch positiven Ergebnissen kommen. Daher wird die Untersuchung nicht als Primärtest empfohlen, sondern als zusätzliche Bestätigung. Darüber hinaus untersucht die Methode nicht den Immunophänotyp der Zellen und kann sogar unterschiedliche Ergebnisse zur Durchflusszytometrie ergeben. Dies kann beispielsweise bei einem "cross-lineage rearrangement“ von T-Zellrezeptoren bei großzelligen B-Zell Lymphomen (diffuse large B cell lymphoma) oder Plasmazelltumoren auftreten.



Weitere Informationen

  • Harris LJ, Rout ED, Hughes KL et al. Clinicopathologic features of lingual canine T-zone lymphoma. Vet Comp Oncol, 2018. 16(1), 131-139.

  • Martini V, Marconato L, Poggi A et al. Canine small clear cell/T-zone lymphoma: clinical presentation and outcome in a retrospective case series. Vet Comp Oncol, 2015. 14(S1), 117-125.

  • Raposo-Ferreira TMM, Cesar Jarl P, Rossi Varallo G et al. T-cell lymphoma in the tongue of a dog with cutaneous and striated forelimb muscle involvement. Acta Sci Vet, 2014. 42(1), 60.

  • Seelig DN, Avery P, Webb T et al. Canine T-zone lymphoma; unique immunophenotypic features, outcome and population characteristics. J Vet Intern Med, 2014. 28(3), 878-886.